Wer haftet bei Sammelbestellungen?
In Zeiten, in denen Heizöl besonders teuer ist, liegt der Gedanke nahe: Mehrere Nachbarn, Verwandte oder Freunde bestellen gemeinsam, um über die höhere Menge interessantere Preise zu erzielen. Das Prinzip ist so alt wie der Handel unter Menschen. Die Idee ist auch gut und richtig. Jeder gute Heizölhändler wird sich, mit mehr oder weniger freudigem Gesichtsausdruck, auf solche Geschäfte einlassen. Wir auch.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Es ist nicht so, dass ein Heizölhändler ob eines solchen Geschäftes in Jubel ausbricht. Aus seiner Sicht ist das nicht interessanter als einzelne Lieferungen an die einzelnen Kunden – eher im Gegenteil. Der Vorteil, in kurzer Zeit an mehreren Adressen im gleichen Viertel mehrere Tanks befüllen zu können, wird durch den geringeren Preis mehr als aufgewogen.
Interessenlage
Die Bestellgemeinschaft will Geld sparen. Das ist menschlich und moralisch verständlich. Der Heizölhändler will Geld verdienen. Auch das ist legitim. Sammelbestellungen funktionieren nur, wenn diese verschiedenen Interessen fair gegeneinander abgewogen und die Verhandlung zu einem Ergebnis führt, mit dem beide leben können. Klappt dann auch Abrechnung und Zahlung reibungslos, ist alles gut. Das ist meistens auch der Fall. Meistens.
Der Teufel steckt, wie immer, im Detail. Was oben als Beziehung zwischen zwei Vertragspartnern beschrieben wurde, erweist sich bei genauerer Betrachtung als komplizierter. Auf der einen Seite steht immer nur der Händler, auf der anderen Seite ein Mensch, der aber stellvertretend für weitere Haushalte handelt. Wie gesagt: Meistens geht das gut. Manchmal aber nicht. Wenn eines der Mitglieder der Sammelbestellgemeinschaft nicht bezahlen kann oder will, kommen die Probleme auf den Tisch. Im Streitfall wird es immer teuer – für alle Beteiligten. Für beide Seiten wird es ein teures Verlustgeschäft.
Die GbR nach § 705 BGB
Zu häufig sind Sammelbestellern, besonders dem Menschen, der sie organisiert, die rechtlichen Konsequenzen ihrer Aktivität nicht ansatzweise bewusst. Das Wichtigste: Mit ihrer Willensbekundung, Heizöl gemeinsam einzukaufen, bilden sie eine "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" nach § 705 BGB.
Denn (...) die Mitglieder einer Gesamtbestellergemeinschaft (sind) als BGB-Gesellschaft anzusehen. Eine Gesellschaft im Sinne von § 705 BGB liegt nämlich dann vor, wenn sich mehrere Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes zusammenschließen. Dies ist bei der Sammelbestellung von Heizöl der Fall.
Amtsgericht Pirmasens, Az.: 1 C 197/02 Urteil vom 24.07.2002
Das mag schlimm klingen, ist es aber nicht. Genau dafür ist die GbR gedacht: Alle gemeinsamen geschäftlichen Aktivitäten von Privatleuten, die nicht die Gründung einer Firma erfordern, können unter dem Dach einer GbR abgewickelt werden. Weder Finanzamt[1] noch Handelsregister oder Handelskammer interessieren sich dafür. Es muss noch nichtmal ein Verein gegründet werden. Papierkram? Gibt es praktisch nicht. Andererseits sind im BGB sehr viele Probleme geregelt, die im Rahmen einer GbR auftreten können. Insofern ist eine GbR ein duchaus vorteilhaftes Konzept, auch beim Heizöleinkauf[2].
Damit Privatleuten solche Geschäfte erleichtert werden, steht dieser Paragraph im Bürgerlichen Gesetzbuch, und nicht im Handelsgesetzbuch, dass Rechtsfragen unter Firmen und Vollkaufleuten regelt. § 705 BGB ist also genau für solche Fälle gedacht. Simpel formuliert: Eine Lottotipgemeinschaft ist auch nichts anderes als eine GbR nach § 705 BGB.
Vertretung nach aussen
Der Organisator der Sammelbestellung tritt also als Vertreter der GbR nach aussen auf. Das ist insofern entscheidend, als dass die Juristen, damit es nicht so langweilig wird, bei GbRs zwischen "Innen-" und "Aussengesellschaften" unterscheiden. Wie der Name es schon sagt, liegt der Unterschied darin, ob Geschäfte nach Aussen getätigt werden. Eine Innengesellschaft liegt vor, wenn man sich über die gemeinsame Gartennutzung einigt. Kauft man auch die Geräte für diesen Garten aus einer gemeinsamen Kasse ein, ist es wieder eine Aussengesellschaft.
Die gemeinsame Kasse ist ein wichtiger Punkt. Damit es eine reine "Innengesellschaft" bleibt, darf kein gemeinsames Vermögen vorhanden sein. Noch nichtmal eine Portokasse. Dies dürfte bei der klassischen Heizölbestellgemeinschaft immer der Fall sein. Entscheidend ist, dass es bei einer Innengesellschaft keine gemeinsame Haftung nach aussen gibt.
Wäre also eine Sammelbestellgemeinschaft für Heizöl ausschliesslich eine Innengesellschaft nach BGB, haftete jedes Mitglied dieser Gemeinschaft einzeln für das ihm gelieferte Heizöl – und für sonst nichts. Juristen haben in der Vergangenheit so argumentiert und damit die Haftung des Bestellers und/oder anderer Mitglieder für Zahlungsausfälle bei einzelnen Mitgliedern verneint.
Inzwischen hat sich bei den Juristen die Erkenntnis durchgesetzt, dass durch die Existenz einer Innengesellschaft die Existenz der Aussengesellschaft nicht unmöglich wird. Die obige Logik gilt zwar, der Umkehrschluss aber auch: Spätestens, wenn gemeinsam nach aussen aufgetreten wird, was bei einer gemeinsamen Heizölbestellung eindeutig der Fall ist, existiert eine Aussengesellschaft. Dazu das Landgericht Hechingen:
Das Fehlen eines Gesamtvermögens ist zwar zwingende Voraussetzung einer Innengesellschaft, schliesst aber umgekehrt die Annahme einer Aussengesellschaft nicht aus, wenn (…) die Gesellschafter (…) im Rahmen des Gesellschaftszwecks und zu dessen Erreichnung nach gemeinsam nach aussen auftreten.
LG Hechingen 3 S 105/02 vom 20.08.2003
(...) Das Erreichen eines günstigen Preises für eine Heizöllieferung ist daher der gemeinsame Zweck (...). (Es) kann nur dadurch erreicht werden, dass diese Personen auch im Außenverhältnis gegenüber dem Heizöllieferanten gemeinsam auftreten.
Amtsgericht Pirmasens, Az.: 1 C 197/02 Urteil vom 24.07.2002
Juristen mögen jetzt noch darüber diskutieren, ob eine Innengesellschaft zusätzlich noch existiert oder nicht. Für das hier behandelte Problem, die Haftung für Heizöleinkäufe gegenüber dem Händler – also nach "aussen" – , ist das in jedem Fall irrelevant.
Getrennte Rechnung
Das im Streitfall gerne vorgetragene Argument, dass die einzelnen Teillieferungen getrennt mit den einzelnen Empfängern abgerechnet werden, greift nicht. Dies ist ein schlichter Service des Heizölhändlers und begründet nicht die Existenz von mehreren Kaufverträgen. Schliesslich hat der Händler nur einen Kaufvertrag geschlossen – mit dem Menschen, der die Sammelbestellung als Vertreter der GbR organisierte. Das sagt auch das Landgericht Hechingen:
Dass der Kläger zunächst drei getrennte Rechnungen für die Heizöllieferung ausstellte, besagt in diesem Zusammenhang nichts, da dies als Entgegenkommen seitens des Klägers dahingehend gesehen werden kann, den Sammelbestellern auf diese Weise interne Abrechnungen (zu) ersparen.
LG Hechingen 3 S 105/02 vom 20.08.2003
Wie die Gesellschafter der Sammelbestellgemeinschaft ihre Haftung untereinander regeln, ist für den Heizölhändler irrelevant. Sein Ansprechpartner im Streitfall sind alle Besteller. Sie haften gemeinsam füreinander. Hierzu das Landgericht Hechingen: Der Heizölhändler darf von einer gemeinsamen Bestellung ausgehen, da
(...) die Kunden ersichtlich die von ihnen benötigten Einzelmengen zum Zweck der Erzielung eines günstigeren Preises in einer Sammelbestellung zusammengefasst hatten. Bei derartigen Sammelbestellungen haftet jeder, der sich an ihr beteiligt, als Mitgesellschafter und damit als Gesamtschuldner (...).
LG Hechingen 3 S 105/02 vom 20.08.2003
Getrennte Zahlung
Dass die Zahlungen von mehreren Absendern kommen, begründet nicht im Nachhinein die Existenz mehrerer Verträge. Der Händler hat dann mehrere Zahlungseingänge statt einem, und dass von verschiedenen Konten. Ihm ist es Recht. Den Juristen ist das sogar egal. Vertragsrechtlich ist es irrelevant.
Denn dadurch, dass sich die Klägerin bereit erklärte, zunächst jedes einzelne Mitglied der BGB-Gesellschaft nur auf den ihm im Innenverhältnis treffenden Anteil in Anspruch zu nehmen kann ein Verzicht der Klägerin auf die gesamtschuldnerische Haftung der Gesellschaft bzw. der Gesellschafter nicht gesehen werden.
Amtsgericht Pirmasens, Az.: 1 C 197/02 Urteil vom 24.07.2002
Bestreitung der Bestellung
Stellt sich einer der Besteller auf den Standpunkt, er habe gar nicht bestellt, ist auf menschlicher Ebene der schlimmste Fall eingetreten. Das ist innerhalb einer gewachsenen, vorher gesunden Sozialstruktur wie einer Reihenhaussiedlung nur selten wieder zu reparieren. Kann ihm die (Mit-)Bestellung wirklich nicht nachgewiesen werden, hat das für den Besteller, den Organisator, fatale Folgen: Er hat als Vertreter ohne Vollmacht gehandelt und haftet im Zweifelsfall alleine für diese Teillieferung.
Die naheliegende Frage, wie das angeblich nicht bestellte Heizöl im Tank des Nichtbestellers landen konnte, ist zwar juristisch hochinteressant – aber nur im Innenverhältnis in der GbR. Der Händler wird beim Besteller kassieren. Zu Recht.
Fazit
Im Normalfall funktionieren Sammelbestellungen von Heizöl. Im Normalfall. Es kommt aber immer wieder vor, dass einer oder sogar mehrere der Besteller nicht zahlen. Der Heizölhändler muss sich dann, und das zu Recht, an alle Besteller wenden. Die GbR ist sein Vertragspartner. Die GbR hat bestellt. Die Gesellschafter der GbR müssen zahlen.
Vielmehr ist unbestritten, dass neben der Gesellschaft auch die Gesellschafter einzeln als Gesamtschuldner für die Gesellschaftsschuld haften.
Amtsgericht Pirmasens, Az.: 1 C 197/02 Urteil vom 24.07.2002
Der Heizölhändler kann hier nicht helfen, selbst wenn er wollte. Wie die Mitglieder der GbR ihre Haftung untereinander regeln, liegt nicht in seinem Einfluss. Aber sie sollten es – in ihrem eigenen Interesse – regeln. Dafür gibt es Anwälte. Dass die Anwaltskosten den Preisvorteil beim Einkauf unter Umständen wieder ausgleichen können, ist einer der Punkte, die bei Sammelbestellungen zu bedenken sind. Aber bitte: Im Streitfall wird es noch teurer. Wesentlich teurer.
Wer mit anderen zusammen eine Einkaufsgemeinschaft für Heizöl gründen will, möge sich über die potentiellen Konsequenzen im Klaren sein.
Ist das Ziel, beim Heizöl-Einkauf zu sparen, es wirklich wert, jahrzehntealte soziale Beziehungen zu riskieren? Bei solchen Streitfällen wurde schon das Klima in der gesamten Siedlung vergiftet – bis hin in die Vorstände der ansässigen Vereine. Ist es das wert?
Fussnoten
1 Eine Einkaufsgemeinschaft
privater Haushalte ist nicht dazu gedacht, Gewinne im gewerblichen
Sinne zu erzielen und wird das auch nicht tun.
2 Genauso
schnell ist die GbR auch wieder aufgelöst, im vorliegenden Fall
durch die Lieferung und Bezahlung des Heizöls. Der Geschäftszweck
der GbR ist erfüllt. Bei der nächsten Bestellung können
Gesellschafter dazukommen oder aussteigen.
Eine neue GbR ist geboren…